Ausländer*innen in der Kommune

Unter donnerndem Beifall ertönt: Es lebe die Kommune! Es lebe die Weltrepublik!

Élie Reclus (1827-1904), Ethnologe, Kommunarde, Anarchist – Tagebucheintrag vom 28.3.1871

Die Brüder Okolowitz in der Uniform der Nationalgarde. Wie 500-600 weiterer Polinnen und Polen waren sie aktive Kämpfer*innen der Pariser Kommune. August Okolowitz war General, sein Bruder Ferdynand wurde nach der Niederschlagung der Kommune nach Neukaledonien verbannt. [1]

Internationalistische Kämpfer*innen der Kommune
Die Zahl der internationalistischen Kämpfer*innen der Kommune ist nicht bekannt, nur die der Verhafteten. Während der Blutigen Woche wurden 1.725 internationalistische Kämpfer*innen in Paris verhaftet. Das waren 4,5 % aller Verhafteten.

Internierte Kommunard*innen in Rochefort
Von 1871-1872 waren insgesamt 5.489 angeklagte Kommunard*innen in der Atlantikfestung Rochefort interniert, darunter waren 262 internationalistische Kämpfer*innen (s. Grafik [2]). [3]

Die Volkszählung von 1866 ergab 120.000 Ausländer*innen in der 2 Millionen Stadt Paris. Dazu kamen 30 – 80.000 ohne legalen Status. Sie waren dem wirtschaftlichen Elend oder der politischen Unterdrückung ihrer Heimatländer entflohen. So wie die polnischen Freiheitskämpfer gegen die zaristische Unterdrückung oder die italienischen Garibaldiner, die für die Einigung Italiens kämpften.

Die Kommune versuchte ihrem internationalistischen Anspruch gerecht zu werden. So ernannte sie zwei polnische Offiziere, Jaroslaw Dombrowski und Walery Wróblewski, zu Oberbefehlshabern. Der ungarische Goldschmied Léo Frankel wurde Vorsitzender der Kommission für Arbeit, Industrie und Handel und die russische Revolutionärin Anna Jaclard war u. a. Mitglied der Frauenunion und der Kommission für Bildung.

Deutsche Migrant*innen in Paris

Im 19. Jahrhundert lebten neben bekannten politischen Flüchtlingen wie Heinrich Heine und Karl Marx etwa 80.000 deutsche „Wirtschaftsflüchtlinge“ in Paris. Die meisten waren ungelernte Arbeiter*innen, für die gut bezahlte Arbeit rar war. Die „deutschen Gastarbeiter*innen“ lebten in den Pariser Armenvierteln am Rande des Existenzminimums – als Straßenkehrer, Lumpensammler oder Dienstmägde. Während des deutsch-französischen Krieges waren sie Anfeindungen ausgesetzt und wurden ausgewiesen.

Trotzdem sollen 5 – 9.000 Deutsche während der Kommune in Paris geblieben sein, manche Quellen sprechen gar von 30.000. Einige davon waren aktive Kommunarden, 59 deutsche Kommunarden sind namentlich erfasst. Die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich viel höher. Ob Frauen darunter waren, ist nicht bekannt. Ausländische Teilnehmer*innen, besonders die des Kriegsfeindes Deutschland, wurden nach der Niederschlagung der Kommune besonders hart bestraft. Nach Beendigung der Strafe wurden sie meist des Landes verwiesen, das oft schon seit Jahrzehnten ihre Heimat war.

Anna Jaclard (1843-1887), russische, sozialistische, feministische Revolutionärin. Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation, mit Karl Marx befreundet. Während der Kommune Mitglied im Comité de vigilance de Montmartre, der Frauenunion und der Bildungskommission, Sanitäterin und Journalistin für La Sociale. Exil in England, Schweiz und Russland. [4]

Leó Frankel (1844-1896), ungarischer Goldschmied, Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation, Marxist, „Arbeitsminister“ der Kommune, am 25. Mai 1871 auf den Barrikaden verwundet, konnte in die Schweiz entkommen. [5]

Kommunard*innen und Schaulustige vor der zerstörten Vendôme-Säule. [6]

Ich bin gewarnt worden, dass eine große Anzahl von Ausländern nach Paris reist, um an der Unordnung teilzunehmen, die diese Stadt heimsucht.

Zitat aus einem Rundschreiben des Innenministers Ernest Picard an die Präfekten vom 11. April 1871. Diese Warnung der Herrschenden vor den „bösen Ausländern“ kennt jede*r politisch Aktive auch heute noch. Besonders beliebt vor Gipfeltreffen, sei es G8, G20 oder WEF, warnen die Mächtigen in Deutschland vor den „gewalttätigen Griechen“, die in Italien vor den „deutschen Autonomen“ und die in Frankreich vor den „italienischen Anarchisten“ usw.

Marie: Da drüben steht ein Lumpensammlerpaar! Mama sagt immer, diese Leute haben es besonders schwer und brauchen unsere Hilfe. Doch sie kann ihnen nur was mitgeben, wenn unsere Kleider schon so zerschlissen sind, dass sie noch nicht mal mehr Putzlappen draus machen kann.
Laurent: Das ist wirklich eine Knochenarbeit. Und trotzdem bezahlen ihnen die Papiermühlen nur ein paar Cents pro Sack.
Marie: Dann müssen sie einfach mehr kriegen! Was sie tun, ist doch wichtig. Sieh dich um, wir brauchen ganz viel Papier für unsere Kommune. An allen Häuserwänden kleben unsere Aushänge und Plakate.